Hätten wir Literatur studiert oder uns mehr mit der deutschen Geschichte auseinandergesetzt, hätten wir viele Ereignisse vielleicht schon im Voraus absehen können. Im Nachhinein wird uns deshalb vieles klarer. Uns ist ein Buch aus dem Jahre 1861 in die Hände gefallen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" von Theodor Fontane und dort liest man folgendes:
Buckow hat einen guten Klang hierlands, ähnlich wie Freienwalde, und bei blosser Nennung des Namens steigen freundliche Landschaftsbilder auf: Berg und See, Tannenabhänge und Laubholzschluchten, Quellen, die über Kiesel plätschern und Birken, die vom Winde halb entwurzelt, ihre langen Zweige bis in den Waldbach niedertauchen.
Ja, Buckow ist schön, aber doch mit Einschränkung. Es hängt alles davon ab, ob wir Buckow die Gegend oder Buckow die Stadt meinen; - allen Respekt vor jener, aber Vorsorge gegen diese. Seine Häuser kleben wie Nester an Abhängen und Hügelkanten und sein Strassenpflaster, um das Schlimmste vorwegzunehmen, ist lebensgefährlich. Es weckt mit seiner hals- und wagenbrechenden Passage die Vorstellung, als wohnten nur Schmiede und Chirurgen in der Stadt, die schliesslich auch leben wollen. Von Löchern ist längst keine Rede mehr; wo dergleichen waren, sind sie zu einer rinnenartigen Vertiefung geworden und als Friedrich Wilhelm IV. vor einer Reihe von Jahren Buckow passierte, sah sich die Kommune veranlasst, die Hauptstrasse der Stadt fusshoch mit Sand bestreuen zu lassen. Dieser Beschluss wurde aber nicht gleich gefasst. Viele hatten vielmehr vorgeschlagen, das Pflaster zu lassen wie es sei, um den König desto eher zu einer milden Beisteuer zu bewegen, in dankbarer Erinnerung "an Rettung aus Lebensgefahr". Aber der Vorschlag musste freilich scheitern, weil eben niemand diese Rettung als gesichert voraussagen durfte. So wurde denn Sand gestreut und das alte Pflaster der Stadt erhalten. Für schwache Achsen ist Buckow dasselbe was Wien für schwache Lungen ist, - keiner kommt heil heraus.
Buckow war einmal wohlhabend, aber das ist lange her. Im 14. Jahrhundert, auch später noch, blühte hier der Hopfenbau und gab dreiunddreissig Hopfengärtnern reichliche Nahrung. Sie gewannen jährlich weit über tausend Wispel und der Buckower Hopfen war es, der dem Bernauer Bier zu seinem Ruhme half. Noch gibt es Hopfengärten in Buckow, aber ihre Bedeutung für die Stadt ist hin und die überall siegreiche Kartoffel erobert auch hier das Terrain. Kümmerlich schlägt sich die Stadt mit Spaten und Hacke durch; Kommunalvermögen ist nicht da; und die vier Jahrmärkte werden nicht besucht und die alte Hügelkirche, mit reichem Altar und mächtigen Glocken, würde schwerlich in solcher Stattlichkeit auf die Stadt herabsehen, wenn sie vom jetzigen Buckow gebaut werden sollte.
Die Buckower sind ordentliche, fleissige Leute, die sich's sauer werden lassen, aber sei es, dass ihre wendisch-deutsche Blutmischung nicht ganz die richtige ist, oder dass sie's nicht verwinden können, vor lieber langer Zeit einmal reich gewesen zu sein, gleichviel, sie haben eine Vorliebe fürs Prozessieren und gelegentlich auch wohl für die Selbsthülfe. Es existieren darüber viel heitre und viel traurige Geschichten. Eine Geschichte dieser Art, die lustig und traurig zugleich, spielte vor kurzem erst, als die Buckower mit ihrem "Grafen" - dem Grafen Flemming, Besitzer der Herrschaft Buckow - in Streit gerieten. Dieser Streit nahm ein paar Tage den Charakter an, als habe sich ein Vorgang aus dem 15. Jahrhundert in unsere Zeit hinein verirrt; die Bürger zogen zu Felde, schlugen die gräflichen Mannen in die Flucht, nahmen Possess vom streitigen Terrain und pflanzten ihr Banner auf dem eroberten Grund und Boden auf. Kurzum eine mittelalterliche Fehde in bester Form. Streitobjekt war ein Forst, den der Graf als seine, die Stadt als ihre beanspruchte. Die Gerichte hatten zugunsten des Grafen entschieden, aber die Stadt schüttelte den Kopf und so geschah was eben gemeldet.
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Die Gräflichen verstärkten sich und rückten anderntags, unterstützt durch die ganze Polizeimacht der Kreise Barnim und Lebus ins Feld. Die Polizei, bekanntlich ein prosaisches Institut ohne Glauben an Gespenster, hat auch kein Herz für Romantik und Mittelalter, und schickt die Buckower in sehr bestimmten Ausdrücken heim.
Nun hat es sich wohl zugetragen, dass nach Einführung des Motorwagens die Hauptstrasse in Buckow gründlich erneuert wurde, auch wenn schon lange kein König mehr in Buckow gewesen. Abenteuer und Tatendrang lies einige Buckower ins Umland aufbrechen, um sich dort niederzulassen. "Der Graf ist tot und liegt begraben, jetzt können wir es wieder wagen!" Und flugs pflanzten manche nach mittelalterlichen Methoden wieder ihr Banner auf eroberten Grund und Boden. Auf Papier und Siegel wurde dabei manchmal verzichtet, lieber schnell ein Zaun auf fremden Grund errichtet auch wenn es sich dabei um Staatsland handelte.
Von einem solchen Buckower kauften wir unser Land, etwa 500 Jahre nachdem das Mittelalter im allgemeinen zu Ende gegangen war - mitsamt dem Zaun um das okupierte Staatsland. Auf seltsame Weise verdoppelte sich alsdann die Grösse des einverleibten Grundes und selbst ein eilig herbeigerufener Landvermesser vermochte uns nicht eines Besseren zu belehren. Grenzen verschoben sich und ganze Landflächen drehten sich, obwohl wir als erfahrene Entdecker nie von unterschiedlichen tektonischen Platten in der Umgebung von Buckow gehört hatten. Dennoch brauchten wir das Stückchen Land das vormals dem Grafen Flemming gehörte nun aber in die Obhut des Staates übergegangen war. Denn schon jahrelang wurde die Abwassergrube unseres neu erworbenen Hauses über dieses Staatsland entsorgt, wenngleich auch nicht mit Fug und Recht. Wie sollten wir dies nun als rechtschaffende Bürger ohne Brief und Siegel tun, waren wir doch nicht in Buckow geboren?
Obwohl der Graf schon lange tot war, wurde unsere Fürbitte zum Kauf des Grundstückes am Hofe des Staates abgelehnt. Wir könnten uns die Grundstücksnutzung allerhöchstens durch eine Pacht verdingen. Ein entsprechendes Dokument werde uns durch eine postalische Depesche zugesand, so versicherte man uns. Wir waren erleichtert. Die alte Postumspannstation befindet sich nur einen Steinwurf von unserem Grundstück entfernt, wir kennen dessen Besitzer und der Winter lag im Sterben - ganz sicher würde ein solches Dokument bald bei uns eintreffen...
Die Zeit verging, das Gras wurde grün, die Bäume trieben aus und wir nutzten das Grundstück rein im Vertrauen auf die staatliche Zusage, aber von der postalischen Depesche fehlte jede Spur. Sei es, weil die alte Postumspannstation mittlerweile nicht mehr zweckbestimmt arbeitet, oder weil die Postkutsche überfallen wurde. Wir wissen es nicht, aber es gab plötzlich Mitwisser und Mitstreiter um dieses besagte gräfliche Grundstück und somit wurde die Pacht nun höchst öffentlich ausgeschrieben. Ein Gebot musste binnen einem Monat in einem geheimen Umschlag an einem genannten Ort hinterlegt werden. Eine Zeit der schlaflosen Nächte und durchdachten Tage rauschte an uns vorbei bevor wir zu guter Letzt ein Gebot abgaben.
Zum Ferienanfang, ich weiss es genau denn die Oma war da und wir feierten das erste Zeugnis von Elias, bekamen wir Besuch. Eine Gesandte des Staates überbrachte uns die Nachricht, dass unser Gebot keinen Zuschlag erhalten habe. Klasse Nachricht. Und was ist mit dem ganzen Abrissholz da auf dem Grundstück? Na wegräumen - bis Oktoba! Aha! Und die Abwasserversorgung? Na neue Grube bauen. Kann man auch machen lassen! Ein Zaun musste auch gebaut werden - Theodor Fontane hatten wir mittlerweile ja gelesen. Klasse Sommerferien. So wurde der Sommer dann mit zaunziehen und grubebuddeln und wasserumverlegen verbracht. Zwischendurch ein bischen grillen und badengehenamsee und hamburgfahren und freundedahaben. Zum Glück hat der Opa kräftig mitgeschaufelt - wie ein Bagger.
Inzwischen fielen die ersten Blätter, alle Arbeiten waren gemacht und der Herbst trübte die Stimmung, als eine motorgetriebene gelbe Kutsche vor unserem Grundstück hielt. Eine Staatsbotschaft: kein Pachtgebot erhielt den Zuschlag, das Grundstück wird nun verkauft. Ein riesen Luftsprung aber auch wieder ein Monat die gleichen Gefühle und quälenden Gedanken. Wieder eine öffentliche Ausschreibung und wieder waren wir ratlos.
Aber diesmal wollten wir auf Nummer sicher gehen, diesmal boten wir quasi einen Säckchen voll Golddukaten. Und nach bangen Tagen des Wartens erhielten wir die gute Nachricht. Unser Gebot bekam den Zuschlag. Ende November trafen wir uns mit einer Gesandten des Staates an einem neutralen Ort bei einer gekauften Zeugin (Notarin :-) und besiegelten freudestrahlend den Besitzübergang des Grafen von Flemming auf uns. Nun endlich haben wir einen guten Morgen Land. Wir bedanken uns bei allen, die uns in dieser Zeit unterstützt, geholfen, aufgemuntert und zugehört haben und wir sagen:
Hip hip, hurra! Die Feier kommt dann nächstes Jahr...
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